Sozialauswahl bei der betriebsbedingten Kündigung - Alles, was Sie wissen müssen
Das Wichtigste in Kürze:
- Die Sozialauswahl wählt bei der betriebsbedingten Kündigung die Arbeitnehmer aus, denen gekündigt wird.
- Die Sozialauswahl ist sehr fehleranfällig, Arbeitgeber kündigen häufig, obwohl dies nicht zulässig ist.
- Arbeitnehmer können häufig hohe Abfindungen erzielen, wenn sie gegen eine betriebsbedingte Kündigung vorgehen.
Was ist die Sozialauswahl bei der betriebsbedingten Kündigung?
Die Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung verfolgt das Ziel, dass dem sozialstärksten Arbeitnehmer gekündigt wird. Wenn bei einem Unternehmen der Bedarf nach Arbeitskräften dauerhaft sinkt, sodass Arbeitsplätze wegfallen, muss entschieden werden, welchen Angestellten gekündigt wird. Grundsätzlich soll den Angestellten gekündigt werden, welche die besten Aussichten haben, einen neuen Job zu finden und keinen Unterhaltspflichten unterliegen. Im Rahmen der Sozialauswahl wird ermittelt, welche Angestellte durch die Kündigung am wenigsten hart getroffen werden.
- Hintergrund: Bei einer betriebsbedingten Kündigung liegt die Ursache für die Kündigung in der Sphäre des Arbeitgebers. Entsprechend gibt es auch keine konkreten Arbeitnehmer, welche die Krise verursacht haben. Deshalb soll solchen Arbeitnehmern gekündigt werden, welche die Kündigung am besten verkraften können.
- Anwendungsbereich: Die Sozialauswahl erfolgt nur bei der betriebsbedingten Kündigung. Bei der personen- und verhaltensbedingten Kündigung ist die Sozialauswahl nicht erforderlich, da die Ursache für die Kündigung in der konkreten Person eines Arbeitnehmers liegt.
Wie erfolgt die Sozialauswahl bei der betriebsbedingten Kündigung?
Die Sozialauswahl erfolgt in drei Schritten, zuerst wird geschaut, zwischen welchen Arbeitnehmern die Auswahl erfolgt, anschließend wird die Auswahl getroffen und in einem dritten Schritt darf der Arbeitgeber besonders wichtige Leistungsträger aus der Auswahl ausschließen:
- Vergleichsgruppe: Zuerst wird die Vergleichsgruppe gebildet. Erfasst werden alle Arbeitnehmer in einem Unternehmen, die eine vergleichbare Tätigkeit ausüben. Ob Tätigkeiten miteinander vergleichbar sind, richtet sich danach, ob die Tätigkeit der jeweils anderen Person nach einer kurzen Zeit übernommen werden kann.
- Auswahl: Nachdem die Vergleichsgruppe bestimmt wurde, wird in einem nächsten Schritt ausgewählt, welchem Angestellten bzw. welchen Angestellten gekündigt wird. Es wird der sozialstärkste Angestellte gekündigt. Die Auswahl erfolgt anhand des Lebensalters (je jünger desto stärker), der Betriebszugehörigkeit (je kürzer desto stärker), den Unterhaltspflichten (je weniger desto stärker) und dem Vorliegen einer Schwerbehinderung (liegt keine vor, spricht dies für soziale Stärke).
- Leistungsträger: Der Arbeitgeber darf bestimmte Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl ausschließen. Erforderlich ist, dass es im betrieblichen Interesse liegt, die Arbeitnehmer im Betrieb zu behalten. So kann ein Mitarbeiter etwa aufgrund seiner Fähigkeiten oder Kenntnisse für den Betrieb unentbehrlich sein. Solche Mitarbeiter darf der Arbeitgeber aus der Sozialauswahl ausschließen, um sie im Betrieb zu halten.
Wie wird die Vergleichsgruppe gebildet?
Arbeitnehmer sind vergleichbar, wenn sie austauschbar sind. Die Austauschbarkeit liegt vor, wenn sie ähnliche fachliche Qualifikationen aufweisen und ihnen der jeweils andere Arbeitsplatz zugewiesen werden kann. Diesbezüglich sind die folgenden Aspekte zu beachten:
- Hierarchie: Für die Vergleichbarkeit wird nur die konkrete Hierarchiestufe betrachtet. Wenn ein Manager beispielsweise sagt, dass er auch als Vertriebsmitarbeiter arbeiten kann, führt dies nicht zur Vergleichbarkeit der Tätigkeit. Da der Vertriebsmitarbeiter nicht als Manager arbeiten könnte.
- Nicht erfasst: Bestimmte Arbeitnehmer werden in der Sozialauswahl nicht berücksichtigt. Beispielsweise werden Arbeitnehmer mit einem besonderen gesetzlichen Kündigungsschutz nicht berücksichtigt. Dazu gehören etwa Betriebsratsmitglieder, Auszubildende oder der Datenschutzbeauftragte.
Beispiel: Dementsprechend können die Tätigkeit am Empfang in einem Unternehmen und als Reinigungskraft vergleichbar sein, wenn die Reinigungskraft die Tätigkeit am Empfang nach kurzer Zeit übernehmen könnte bzw. die Empfangskraft die Tätigkeit als Reinigungskraft nach kurzer Zeit übernehmen könnte.
Wie erfolgt die Auswahlentscheidung konkret?
Die Auswahl des sozialstärksten Angestellten erfolgt anhand der folgenden vier Kriterien. Der Arbeitgeber darf bei der Auswahlentscheidung keine weiteren Kriterien berücksichtigen.
- Betriebszugehörigkeit: Die Betriebszugehörigkeit hat bei der Sozialauswahl die höchste Bedeutung. Die Betriebszugehörigkeit ist das einzige Kriterium, welches direkt an das Arbeitsverhältnis und die Betriebstreue des Arbeitnehmers anknüpft. Bei der Betriebszugehörigkeit werden auch Pausen (z.B. wegen Elternzeit o. Ä.) oder die Zeit als Auszubildender berücksichtigt.
- Lebensalter: Das Lebensalter wird berücksichtigt, da grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass jüngere Angestellte leichter einen neuen Job finden als ältere Mitarbeiter.
- Unterhaltspflichten: Im Rahmen der Unterhaltspflichten wird berücksichtigt, dass noch weitere Personen von dem Einkommen abhängig sind.
- Schwerbehinderung: Es sind nur solche Schwerbehinderungen zu berücksichtigen, von denen der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung Kenntnis hat. Den Arbeitgeber trifft keine Pflicht, sich beim Arbeitnehmer zu erkundigen.
Keinem der vier Kriterien kommt dabei ein Vorrang zu. Die Auswahlentscheidung erfolgt in der Regel über eine Punktetabelle. Wie die Punkte konkret vergeben werden, kann der Arbeitgeber entscheiden. Die Vergabe der Punkte kann dabei etwa folgendermaßen erfolgen:
- Betriebszugehörigkeit: 1 Punkt pro Jahr.
- Lebensalter: 1 Punkt pro Lebensjahr.
- Unterhaltspflichten: 5 Punkte pro Kind und 5 Punkte für verheiratete Arbeitnehmer.
- Schwerbehinderung: 10 Punkte ab einem Grad der Behinderung von 50 %.
Wissenswertes zur Sozialauswahl im Rahmen der Kündigung
Zu der Sozialauswahl im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung gibt es ein paar Aspekte, die Arbeitnehmer berücksichtigen sollten:
- Erleichterungen: Die Sozialauswahl kann nur sehr eingeschränkt überprüft werden, wenn sie den Richtlinien eines Tarifvertrages entspricht oder der Arbeitgeber eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat schließt.
- Auskunftsanspruch: Für den Arbeitnehmer ist es von außen nur eingeschränkt möglich, die Entscheidung des Arbeitgebers überprüfen zu können. Um eine Kündigungsschutzklage erheben zu können, besteht ein Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber.
Welche Folgen hat eine fehlerhafte Sozialauswahl?
Wenn die Sozialauswahl fehlerhaft war, kann der gekündigte Arbeitnehmer erfolgreich Kündigungsschutzklage erheben. Die Sozialauswahl ist fehlerhaft, wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer gekündigt hat, obwohl er einen sozialstärkeren Arbeitnehmer hätte kündigen müssen.
- Weiterbeschäftigungsanspruch: Der Mitarbeiter hat einen Anspruch darauf, dass der Arbeitsvertrag weiterläuft.
- Abfindung: Häufig möchten Arbeitgeber allerdings vermeiden, dass Arbeitnehmer erneut eingestellt werden. Deshalb bieten Arbeitgeber häufig eine hohe Abfindung an, um die Wiedereinstellung zu vermeiden. Eine entsprechend hohe Abfindung bieten Arbeitgeber häufig erst an, nachdem Kündigungsschutzklage erhoben wurde.
