Verdachtskündigung: Wann kann Sie ausgesprochen werden?
Das Wichtigste in Kürze:
- Eine Verdachtskündigung kommt bei sehr schwerwiegenden Vorwürfen in Betracht.
- Eine Verdachtskündigung muss innerhalb von zwei Wochen erfolgen.
- Verdachtskündigungen sind häufig unwirksam, in solchen Fällen haben Sie gute Aussichten auf eine Abfindung.
Was ist eine Verdachtskündigung?
Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn ein Arbeitsvertrag gekündigt wird, weil der Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen schweren Verfehlung besteht. Hintergrund einer Verdachtskündigung ist, dass teilweise schon der Verdacht einer Straftat oder Pflichtverletzung dazu führt, dass es für den Arbeitgeber unzumutbar ist, den Arbeitsvertrag weiterzuführen. Die Verdachtskündigung führt für den Arbeitnehmer zur Beendigung des Arbeitsvertrages. Entsprechend kommt die Verdachtskündigung nur in starken Ausnahmefällen in Betracht.
Beispiele:
- Stewardess: Eine Stewardess einer Fluggesellschaft, die bereits wegen einer Pflichtverletzung abgemahnt wurde, wird nach Dienstschluss mit Lebensmitteln aus dem Flugzeug erwischt, wobei nicht ganz klar ist, ob die Lebensmittel gestohlen wurden oder nicht.
- Diebstahl: Ein Mitarbeiter sagt glaubhaft aus, dass ein anderer Mitarbeiter Waren aus dem Lager gestohlen hat. Der verdächtige Mitarbeiter schweigt bei der Anhörung durch den Arbeitgeber.
Wann ist eine Verdachtskündigung zulässig?
Eine Verdachtskündigung unterliegt strengen Voraussetzungen. Hintergrund der Voraussetzungen ist, dass die Verdachtskündigung zum Ende eines Arbeitsvertrages führen kann, ohne dass zweifelsfrei festgestellt wurde, dass der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung begangen hat. Folgende Voraussetzungen müssen vorliegen, damit eine Verdachtskündigung zulässig ist:
- Verdacht: Es darf kein vollständig aufgeklärter Sachverhalt vorliegen. Eine Verdachtskündigung kommt also nur so lange in Betracht, wie der Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt wurde. Nach der Aufklärung kommt nur noch eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht.
- Erwiesene Umstände: Der Verdacht muss sich aus erwiesenen Umständen ergeben. In Betracht kommt etwa eine Videoaufnahme, eine Aussage eines Zeugen usw. Fehlen in einer Kasse angeblich 500 €, liegen allerdings keine Beweise dafür vor, dass sich das Geld jemals tatsächlich in der Kasse befunden hat, fehlt es an erwiesenen Umständen.
- Überwiegende Wahrscheinlichkeit: Es muss eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafürsprechen, dass der Arbeitnehmer die Tat bzw. die Pflichtverletzung begangen hat.
- Schwerwiegend: Alleine der Verdacht muss so schwerwiegend sein, dass das Vertrauen, welches erforderlich ist, um das Arbeitsverhältnis fortzuführen, zerstört wird. Der Vertrauensverlust kommt nur in Betracht, wenn eine sehr schwerwiegende Pflichtverletzung oder Straftat vorliegt. Es ist erforderlich, dass die Straftat oder Pflichtverletzung einen engen Bezug zu der Arbeit hat. Typische Beispiele für Straftaten, die so schwer wiegen, dass einer Verdachtskündigung vorliegt sind Betrug, Diebstahl, Untreue, sexuelle Belästigung und sexueller Missbrauch. Ein Indiz dafür, ob es sich um einen schwerwiegenden Vorwurf handelt, ist die Geschwindigkeit, mit welcher der Arbeitgeber reagiert. Braucht der Arbeitgeber lange (in der Regel über eine Woche), um auf den Verdacht zu reagieren, spricht dies dafür, dass kein schwerwiegender Verdacht vorliegt.
- Aufklärung: Der Arbeitgeber muss alles Zumutbare unternommen haben, um den Sachverhalt aufzuklären. Dazu gehört es insbesondere, dass der Arbeitnehmer vor der Kündigung die Möglichkeit hatte, zu dem Verdacht Stellung zu nehmen. Eine Abmahnung ist bei der Verdachtskündigung nicht erforderlich.
Dazu müssen auch im Rahmen einer Verdachtskündigung die normalen Verfahrensregeln für eine Kündigung eingehalten werden. Das bedeutet etwa, dass der Betriebsrat und bei Schwerbehinderten das Integrationsamt anzuhören. Eine Kündigungsfrist muss bei der Verdachtskündigung grundsätzlich nicht eingehalten werden, da die meisten Verdachtskündigungen als fristlose Kündigung ausgesprochen werden.
Innerhalb welcher Frist muss die Verdachtskündigung erhoben werden?
Der Arbeitgeber hat zwei Wochen Zeit, die Verdachtskündigung auszusprechen, § 626 Abs. 2 BGB. Die Frist beginnt mit Kenntnis des Arbeitgebers. Allerdings muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu den Vorwürfen anhören. Erfolgt die Anhörung nach mehr als einer Woche, wird es für den Arbeitgeber schwierig, eine wirksame Kündigung auszusprechen. Findet die Anhörung nach mehr als einer Woche statt, spricht die Untätigkeit des Arbeitgebers dafür, dass der Vorwurf nicht so schlimm ist, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht möglich ist. Schließlich führt die unterlassene Anhörung dazu, dass der Arbeitnehmer weiter für den Arbeitgeber arbeitet. Somit zeigt der Arbeitgeber durch seine Untätigkeit, dass das Vertrauen weiterhin besteht.
Wird die Verdachtskündigung als ordentliche Kündigung ausgesprochen, muss keine Frist eingehalten werden. Allerdings hat die ordentliche Verdachtskündigung fast keine praktische Relevanz.
Was passiert bei einer Verdachtskündigung, wenn man unschuldig ist?
Wenn sich nach einer Verdachtskündigung herausstellt, dass der Angestellte die Tat nicht begangen hat, kommt ein Wiedereinstellungsanspruch des Angestellten in Betracht. Erforderlich ist für den Wiedereinstellungsanspruch, dass die beiden folgenden Voraussetzungen vorliegen:
- Unschuld: Es muss die Unschuld des Angestellten festgestellt werden. Es reicht aus, dass sich später Umstände ergeben, die dazu führen, dass die Vorwürfe entkräftet werden. Es ist also kein gerichtlicher Freispruch erforderlich.
- Zumutbar: Die Wiedereinstellung muss für den Arbeitgeber zumutbar sein. Das setzt voraus, dass die Stelle bzw. eine ähnliche Stelle frei ist. Hat der Arbeitgeber inzwischen den Arbeitsplatz neu besetzt und keine andere Position offen, ist es für den Arbeitgeber unzumutbar, den gekündigten Arbeitnehmer wiedereinzustellen.
Verdachtskündigung erhalten, was tun?
Wenn Sie eine Verdachtskündigung erhalten haben, ist es sehr wichtig, dass Sie die folgenden Hinweise beachten.
- Schnell zum Anwalt: Sie sollten schnellstmöglich einen Anwalt kontaktieren. Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen erhoben werden. Damit ausreichend Zeit für die Bearbeitung des Falls bleibt, sollten Sie sich so schnell wie möglich an einen Anwalt wenden.
- Nichts unterschreiben: Sie sollten im Rahmen der Kündigung keine Dokumente unterschreiben. Teilweise versuchen Arbeitgeber, Arbeitnehmer davon zu überzeugen, eine Verzichtserklärung zu unterschreiben, damit Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage erheben können. Solche Erklärungen sollten sie nur nach Rücksprache mit einem Anwalt unterschreiben.
- Arbeitslos melden: Sie müssen sich schnell arbeitslos melden. Passiert dies nicht, besteht das Risiko, dass die Agentur für Arbeit das Arbeitslosengeld kürzt.
Verteidigung gegen eine Verdachtskündigung
Die Anforderungen an eine Verdachtskündigung sind sehr hoch. Eine Verdachtskündigung hat nur ganz ausnahmsweise Aussicht auf Erfolg. Entsprechend sind die Verteidigungschancen bei einer Verdachtskündigung sehr hoch. Die beste Verteidigung gegen eine Verdachtskündigung besteht darin, den Verdacht zu entkräften oder darzulegen, dass der Verdacht nicht schwerwiegend genug ist, um eine Verdachtskündigung zu rechtfertigen. Die Verteidigung bei einer Verdachtskündigung verfolgt grundsätzlich eines der beiden folgenden Ziele:
- Wiedereinstellung: Eine Kündigungsschutzklage verfolgt grundsätzlich die Wiedereinstellung als Ziel. Wiedereinstellung bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis zu den bisherigen Konditionen weitergeführt wird.
- Abfindung: Wenn Sie für Ihren Arbeitgeber nicht mehr arbeiten möchten, kommt auch eine Abfindung in Betracht. Dafür muss entweder eine Abfindungsvereinbarung mit dem Arbeitgeber geschlossen werden oder das Gericht entscheidet, dass die Kündigung nicht gerechtfertigt ist, und es für Sie unzumutbar ist, wieder für Ihren Arbeitgeber zu arbeiten.
Anforderungen an die Kündigungserklärung
Um einen Arbeitsvertrag zu kündigen, muss auch bei einer Verdachtskündigung eine wirksame Kündigung vorliegen. Der Arbeitgeber muss eine Kündigung nicht begründen. Für die Wirksamkeit einer Kündigung reicht es aus, dass sich aus der Kündigung ergibt, dass der Arbeitsvertrag beendet werden soll. Folgende Aspekte sind bezüglich der Kündigung zu berücksichtigen:
- Schriftlich: Eine Kündigung muss schriftlich erklärt werden. Das bedeutet, dass eine Kündigung nicht per E-Mail, Telefon oder mündlich erklärt werden kann.
- Vollmacht: Sofern Angestellte die Kündigung von einem anderen Angestellten erhalten, kann die Kündigung zurückgewiesen werden, wenn keine Vollmacht vorgelegt wird.
- Zugang: Die Kündigung wird erst mit Zugang beim Angestellten wirksam. Der Angestellte muss die Kündigung also erhalten.
